Laterna Magika

Aus der Perspektive jüdischer Intellektueller avancierte ‚Europa‘ während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Bezugspunkt im Bestreben, moderne Entwürfe jüdischer Zugehörigkeit zu entwickeln. Zugleich wurde Juden im mitteleuropäischen Raum seit dem Beginn der Emanzipation die bürgerliche Gleichstellung lange u. a. mit dem Hinweis auf eine vermeintlich fehlende europäische Zugehörigkeit verweigert. Selbst nach Erlangung der vollen Bürgerrechte (in Deutschland erst mit der Reichsgründung 1871) wurde den Juden ihre kulturelle Zugehörigkeit von weiten Kreisen der Bevölkerungen de facto abgesprochen. Von dieser grundsätzlichen Ambivalenz ist auch der sich Ende des 19. Jahrhunderts formierende Zionismus geprägt; dem Schwanken zwischen einer idealistischen Europahoffnung, die etwa mit Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, moderner Wissenschaft und sozialer Teilhabe verbunden war, und der konkreten Erfahrung des sich ab den 1870er Jahren als breiter politischer Bewegung formierenden Antisemitismus. Der Vortrag zeigt exemplarisch, wie sich sowohl der politische als auch der sogenannte Kulturzionismus grundlegend auf ‚Europa‘ bezogen.

Es spricht Hans-Joachim Hahn (Freiburg), der an der RWTH Aachen und an der ETH Zürich lehrt. Zusammen mit Olaf Kistenmacher hat er 2015 Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft. Zur Geschichte der Antisemitismusforschung vor 1944 herausgegeben.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

Zionistische Positionen zwischen Europhilie und Loslösung